Ich stutze schon ein bisschen, als mein Bruder seine
Nachricht mit "ich weiß zwar immer noch nicht genau was du machst, aber
hoffe es macht Spaß" schließt.
Hab ich das echt noch nicht erzählt?! Also, dem kann ich Abhilfe schaffen.
Fangen wir bei heute an.
Dienstags arbeite ich im Dispensaire, im Gesundheitszentrum,
das der Station angegliedert ist. Einmal durchs inzwischen abgeerntete Hirsefeld,
durch die Hintertür über die Straße. Sprich-
es steht um die Ecke.
Es wurde vor rund 60 Jahren
von Missionaren zusätzlich zu einer Gemeinde hier gegründet. Die Gemeinde steht
inzwischen auf eigenen schwarzen Beinen, das Gesundheitszentrum wird in enger
Zusammenarbeit von Missionaren und Einheimischen geleitet und beschäftigt etwa
30 Mitarbeiter im Bereich der ambulanten Behandlung, Physiotherapie, Aidsprävention,
-beratung und -begleitung und der Geburtenstation.
| Der Eingangsbereich. An diesem kleinen Tischchen kann man sich ein Krankenheftchen kaufen. |
| Und so sieht's drinnen aus.. |
Ich
arbeite zusammen mit vier anderen Frauen in der Maternité, der
Schwangerschaftsvorsorge (gehört zusammen mit der Kleinkinderversorgung zur
Geburtenstation).
Wenn wir um halb 8 nach der Dispensair-Morgenandacht zum
Maternité-Haus rüber gehen, wird das oft schon von 20,30 Frauen bunt belagert. Die sitzen, liegen mit ihren riesen
Babybäuchen auf den harten Steinbänken, oder einfach im Sand davor (und sind von
meiner Kamera übrigens nicht grade begeistert.).
| Die Maternité |
Jede hat ihr kleines abgegriffenes Krankenheftchen
mitgebracht, denn Krankenakten gibt es nicht. Die legen sie alle auf einen
Stapel, der dann von uns abgearbeitet wird: Manuell wird in einem dicken
Registerbuch jede Frau mit einer spezifischen Nummer, ihrem Alter (nicht ihrem
Geburtsdatum... man fängt an zu akzeptieren statt Dinge unlogisch zu finden..),
ihrem Wohnquartier eingetragen. Am schwierigsten gestaltet sich dabei definitiv
das Aufrufen der Frauen; Die Fadimatous, Haouas, Aiissatous und Rabiatous dürfen
sich dann mit ihrem Heftchen ins Wartezimmer, also den Flur und Eingangsbereich
setzen und wenn eines der zwei kleinen Behandlungszimmerchen frei ist
hineingehen.
| Da sitzen sie. Und beschweren sich nie, auch wenn sie einfach den ganzen Vormittag nur hier rumsitzen. Es scheint als hätten die alle Zeit der Welt. |
Ich arbeite am meisten mit Dadi zusammen. Sie ist die
jüngste der Frauen und entgegen der afrikatypischen Altersrangordnung glaube
ich, dass sie hier so ein bisschen das unausgesprochene Alphatier ist.
Sie hat mir beigebracht, wie man die Babys in den
Babybäuchen ertastet, wie die verschiedenen Lagepositionen heißen, wie man über
eine unglaublich zirpwütige Grille hinweg, mit so einem Holzklöppel die Herzschläge
von den Knirpsen erhört, wie man anhand einer bestimmten Anzahl Finger über dem
Bauchnabel die Schwangerschaftswoche bestimmen kann, und dass zu meiner großen
Verwunderung und ihrer Belustigung alle Schwangeren einen dunklen Längsstreifen
über den Bauch haben. Mal ehrlich, haben das die deutschen Schwangeren auch?!
Das Krankenheftchen einer Frau:
6.November 2012.
Bauch: längs 29cm/Umfang 88cm.
Herzschlag: positiv, auf der linken Hälfte des Bauches unter dem Nabel. Man denkt sich ein Kreuz, basierend auf besagtem dunklem Strich und einer imaginären Linie quer über den Bauchnabel.
Die Position des Kindes: cephalique mobile d.h. mit dem Kopf nach unten und beweglich. Das ist lustig, manche Kinder strampeln, wenn man auf dem Bauch rumdrückt :)
Blutdruck: 120/60
Bindehaut: farbig. Schwarzen Menschen sieht man an der Hautfarbe nicht an, ob es ihnen gut geht oder nicht; sie werden nicht blass, so wie wir. Deshalb wird an der Bindehaut und der Zunge kontrolliert.
"DED": Ehrlich gesagt, keine Ahnung was das für eine Abkürzung ist. Stecken wohl Schwellungen an den Füßen dahinter, aber so genau weiß ich das nicht, das ist in meiner Zeit hier glaub noch nie vorgekommen...
Das Gewicht: 51kg . Klar, der Durchschnittsafrikaner ist ein wenig magerer als der Normaleuropäer, das weiß man ja. Aber eine hochschwangere Frau muss doch mehr als nur 50kg wiegen! Die offizielle Richtlinie ist: Nach der Geburt Gewicht der Mutter > 44kg =ok. Vierundvierzig!!
Es gibt natürlich auch recht kräftige Frauen, aber die meisten halten sich doch bei plus ou moins 50kg. Ich sollte mal eine Statistik aufstellen. Das Alter hab ich mir heute mal notiert: Ich habe heute (natürlich immer mit fachmännischer Unterstützung meiner Kolleginnen) insgesamt 33 Frauen untersucht. Durchschnittsalter: 22,9
Die älteste war 39, die jüngste 16.
Obwohl ich es wusste... aber es ist eben trotzdem was anderes, wenn ein 16 jähriges Mädchen vor dir steht oder eine 20 jährige herkommt, genauso alt wie du und zu ihrem Babybauch schon ein Kleines am Rockzipfel hängen hat.
6.November 2012.
Bauch: längs 29cm/Umfang 88cm.
Herzschlag: positiv, auf der linken Hälfte des Bauches unter dem Nabel. Man denkt sich ein Kreuz, basierend auf besagtem dunklem Strich und einer imaginären Linie quer über den Bauchnabel.
Die Position des Kindes: cephalique mobile d.h. mit dem Kopf nach unten und beweglich. Das ist lustig, manche Kinder strampeln, wenn man auf dem Bauch rumdrückt :)
Blutdruck: 120/60
Bindehaut: farbig. Schwarzen Menschen sieht man an der Hautfarbe nicht an, ob es ihnen gut geht oder nicht; sie werden nicht blass, so wie wir. Deshalb wird an der Bindehaut und der Zunge kontrolliert.
"DED": Ehrlich gesagt, keine Ahnung was das für eine Abkürzung ist. Stecken wohl Schwellungen an den Füßen dahinter, aber so genau weiß ich das nicht, das ist in meiner Zeit hier glaub noch nie vorgekommen...
Das Gewicht: 51kg . Klar, der Durchschnittsafrikaner ist ein wenig magerer als der Normaleuropäer, das weiß man ja. Aber eine hochschwangere Frau muss doch mehr als nur 50kg wiegen! Die offizielle Richtlinie ist: Nach der Geburt Gewicht der Mutter > 44kg =ok. Vierundvierzig!!
Es gibt natürlich auch recht kräftige Frauen, aber die meisten halten sich doch bei plus ou moins 50kg. Ich sollte mal eine Statistik aufstellen. Das Alter hab ich mir heute mal notiert: Ich habe heute (natürlich immer mit fachmännischer Unterstützung meiner Kolleginnen) insgesamt 33 Frauen untersucht. Durchschnittsalter: 22,9
Die älteste war 39, die jüngste 16.
Obwohl ich es wusste... aber es ist eben trotzdem was anderes, wenn ein 16 jähriges Mädchen vor dir steht oder eine 20 jährige herkommt, genauso alt wie du und zu ihrem Babybauch schon ein Kleines am Rockzipfel hängen hat.
Nach der kurzen Untersuchung bekommen die Frauen noch eine
quick-kompakte-Aidsberatung und die Möglichkeit auf einen kostenlosen Aidstest
mit sofortigem Ergebnis. Normalerweise dauert dieser Test mit 100% Ergebnis
drei Monate, aber wenn man nicht erst ganz frisch infiziert ist, dann kann man
sehr direkt sagen, ob man HIV positiv oder negativ ist.
Im positiven, sprich negativen Falle bekommen sie Pillen, um die Krankheit zu hemmen und das Baby zu schützen, außerdem bekommen alle Schwangeren in bestimmten Abständen verschiedene Impfungen. War ich da früher doch nicht ganz unempfindlich, impfe ich inzwischen selber ganz munter. Zum Glück hab ich beim Ottinger immer ganz genau aufgepasst. So bin ich da dann doch noch ein bisschen ...europäischer. Nicht, dass die das hier irgendwie schlecht machen oder so, aber schon viel unkomplizierter als zu Hause. Die Frauen halten ihnen den Arm entgegen, Spritze mit Schwung rein, Impfstoff reingedrückt, mit gut Schwung raus. Fertig.
Nie wieder lass ich mir bei meinem perfekt impfenden Hausarzt ein Pflaster, so ein mentales, draufkleben.
Im positiven, sprich negativen Falle bekommen sie Pillen, um die Krankheit zu hemmen und das Baby zu schützen, außerdem bekommen alle Schwangeren in bestimmten Abständen verschiedene Impfungen. War ich da früher doch nicht ganz unempfindlich, impfe ich inzwischen selber ganz munter. Zum Glück hab ich beim Ottinger immer ganz genau aufgepasst. So bin ich da dann doch noch ein bisschen ...europäischer. Nicht, dass die das hier irgendwie schlecht machen oder so, aber schon viel unkomplizierter als zu Hause. Die Frauen halten ihnen den Arm entgegen, Spritze mit Schwung rein, Impfstoff reingedrückt, mit gut Schwung raus. Fertig.
Nie wieder lass ich mir bei meinem perfekt impfenden Hausarzt ein Pflaster, so ein mentales, draufkleben.
Damit die Frauen nach 4 Wochen auch wissen, dass sie wieder kommen müssen, bekommen die Schwangeren am Ende ihrer Behandlung immer vier kleine Pillchen- für jede Woche eine. Auch hier wieder die Frage an alle deutschen Schwangeren: Nehmt ihr jede Woche eine Blutverdünnertablette oder Vitaminpille? (hab noch nicht ganz rausgefunden was das ist..)
Unser Arbeitstag endet, wenn alle Schwangeren behandelt sind
mit einmal durchfegen und Einnahmen zählen, das ist dann zwischen halb 1 und halb 3. Wenn man bedenkt, dass sowohl
Arbeitnehmer als auch Schüler in Deutschland länger arbeiten klingt das
wenig, aber ich bin meistens echt k.o. Schon allein die Sprache(n) sind echt
anstrengend und oft eine Barriere, auch deshalb kann ich im Prinzip noch nichts
ganz alleine machen. Dabei möchte ich so gerne entlastend wirken. Trotzdem bin
ich wirklich gerne dort. Ich mag meine Kolleginnen und ich sehe, erlebe und
lerne einfach echt spannende Dinge, die bestimmt auch später irgendwann mal von
Nutzen sind.
![]() |
| Eines der zwei Behandlungszimmer |
|
Hier gebären die Frauen. Ich hab immer Angst, dass die von
dem Betttisch rollen... Den Stuhl in der Ecke benutzt niemand.
|
Die Arbeitsfläche im Geburtenzimmer. Direkt nach der Geburt
wird das schnell eingepackte Baby da mal zwischengeparkt, bis die Mutter
gewaschen ist usw. Aber auch danach machen die Frauen nicht den Eindruck als
wäre es ihnen ein besonderes Anliegen ihr Neugeborenes mal eine Weile bei sich
zu behalten. Ich glaube sie sind ganz froh, wenn die Mutter oder
Schwiegermutter kommt und das Baby zusammen mit der Nachgeburt holt. (Die
Nachgeburt wird dann hinterm Haus vergraben. In Deutschland werden die übrigens
eingefroren und verbrannt. Oder zu anti-aging-Creme verarbeitet ;-) )
Aber auch schon im Voraus haben die wenigsten Frauen dieses
glückselige ich-bin-schwanger-Lächeln aufgesetzt. Nix mit wir-sind-schwanger-Glückwunschkarten,
Ultraschallbildern und Fruchtwasseruntersuchung. Die Beziehung zu seinen Kindern
wird einfach nicht so hoch gehalten wie bei uns. Oder sollte ich sagen sie
werden nicht so verhätschelt und auf eine goldene Empore gehoben? Ist es
richtig wie wir mit unseren Kindern umgehen? Ist es falsch wie diese Frauen mit
ihren Kindern umgehen?
Ich glaube nicht. Kinder bedeuten hier einfach etwas
ganz anderes: Zu aller erst gesellschaftliches Ansehen. Eine verheiratete Frau
ohne Kind ist keine richtige Frau. Die Familie wird höher geachtet als alles,
aber gleichzeitig bindet man sich bewusst nicht zu stark an seine Kinder. So
schnell übersteigt eine blöde Malaria die Kräfte eines unterernährten
vierjährigen Kindes. Dann ist man natürlich traurig, aber man hat ja zum
Glück noch 5 andere..


Ja du Tomate, der Streifen auf dem Bauch ist international! :)
AntwortenLöschenHallo.
AntwortenLöschenschones Bericht aber man nicht erkennen oder lesen wo Sie waren in Afrika. Es ist ja ein Kontinent und kein Land.
Ich komme aus Mokolo aus dem Norden Kameruns. Mir schein zu sein dass Sie in Maroua waren oder? Von den Namen her bestimmt aus dem Norden des Landes.
Es wäre schon mal präzise zu sein. Sonst schönes Bericht. Dadi aus Mannheim.
Das kann Sie ja nicht Wissen.
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