Samstag, 29. Dezember 2012

29.12. 2012 - Sey Munial (Hab Geduld)



Die Schwester unseres Fulfuldélehrers ist gestorben. Aids... wir kennen sie nicht, wollen aber schnell dort vorbeigehen und unser Beileid ausdrücken ("hab Geduld", sagt man). Wir haben gehört es sei nett zu solch Beileidsbesuchen ein Kilo Zucker und Tee mitzubringen, um die Familie zu unterstützen, denn oft reisen Bekannte und Verwandte aus der ganzen Umgebung an und bleiben eine Weile. Zum Glück fängt uns unser Stationswächter auf dem Weg zum Laden ab und erklärt uns, dass man das natürlich erst abends oder in den nächsten Tagen vorbeibringt und auf keinen Fall mit ans Grab! ...Wär auch schön peinlich geworden. Also ziehen wir ohne Zucker los. Praktisch auf der Türschwelle treffen wir ein paar Bekannte und man rettet uns gerade noch rechtzeitig vor dem nächsten Fettnäpfchen: Ein zusätzliches Tuch muss über Kopf und Schultern!  Wir bekommen welche geborgt und gezeigt, wie man sie wickelt, dann betreten wir das Gehöft. Laufen an ein paar Männern vorbei um eine Ecke und mich trifft fast der Schlag. Ich stehe in einem  Hof in dem an die hundert Frauen durcheinander auf dem Boden sitzen! Wir schütteln der Mutter der Verstorbenen die Hand und suchen uns einen Platz zwischen den Frauen. Viele von ihnen sind jung, die Verstorbene war erst 30. Es herrscht ein leises, andächtiges Gemurmel, wie vor einem Gottesdienst in der Kirche. Einige jammern, wischen sich mit einem Zipfel ihres Gewandes Augen und Nase. Dann kommen immer wieder neue Frauen unter lautem Wehgeschrei an. Von fast schon übertrieben heftigen Weinkrämpfen geschüttelt, gehen sie in die Hocke oder stützen sich an der Hauswand ab. Minutenlang reisen die Klagegesänge nicht ab. Der Refrain des Klagegesangs einer Frau erinnert so viel mehr an einen hysterischen Kicheranfall, dass ich alles brauche um meine Mundwinkel unten zu lassen.  Als ich jedoch aus den Augenwinkeln meine Freundin aus aufrichtiger Trauer um ihre Kindheits- und Nachbarsfreundin still in ihren Rock schluchzen sehe, hab ich das schnell wieder vergessen.
So sitzen wir da und es wird immer enger.  Alle meine Beine sind eingeschlafen. Unauffällig werfe ich einen Blick auf die Uhr. Wir verpassen unseren Jugendkreis. Ich schaue durch die bunte Menge- jeder verpasst seinen (Jugend)kreis, alle sind hier. Schön für die Verstorbene, dass ihr alle die letzte Ehre erweisen, schade für die Braut morgen, deren Hochzeit am Tag vorher in den verschiedenen Kreisen vorbereitet werden sollte...      
Ich bin gerade dabei mir zu überlegen, ob ich es gut finde, dass bei unseren europäischen Beerdigungen schwarz getragen wird, da kommt der Pastor. Es gibt eine kleine Andacht, zwei Lieder und Gebet währenddessen jedes Handy aller anwesenden Personen mal klingelt. Es ist mir ein unbegreifliches Rätsel. Warum die beim besten Willen NIE ihre Handys ausschalten- oder wenigstens auf stumm. Aber nein, die klingeln IMMER! Also auch bei jedem unpassenden Zeitpunkt. Nachdem auch der Pastor den zweiten Anruf abgeblockt hat, kommen ein paar Männer mit Sarg und alle Menschen pilgern zum Friedhof. Ich dachte der sei irgendwo außerhalb, aber in der Tat bin ich an dem schon ein paar Mal vorbei gelaufen, hab ihn nur noch nie als solchen identifiziert; Der Friedhof sieht einfach aus wie ein ungepflegtes Stück Ortsrand. Keine Grabreihen, Grabsteine oder Holzkreuze. Oder vielleicht hat man das von der anderen Straßenseite wo wir Frauen saßen bloß nicht so genau gesehen.
Man verzeihe mir, dass es hierzu keine Bilder gibt. Es schien mir taktlos. Wer möchte kann ja Lisa nächstes Jahr bei Gelegenheit mal fragen... die imitiert die Klagegesänge hier grade ganz realistisch ;) 

Voilà, der Friedhof.

Donnerstag, 27. Dezember 2012

24. 12. 2012 -Weihnachten



24.12.12. 02:30 Uhr. Ein Weihnachtsabend geht zu Ende. Jedenfalls für mich. Nicht aber für ca. zweihundert jugendliche Afrikaner, die wohl tatsächlich noch die ganze Nacht vor der Kirche durchtanzen werden. Die Trommeln 200m Luftlinie von hier können's Lautstärkemäßig in jedem Fall mit einer Disco aufnehmen. Ich mag das Getrommel :) Das ist so .... urisch. So ...afrikanisch :D Und genau so tanzen sie dazu auch! Der ganze Platz erinnert entfernt an einen Pogo, der sich um die beiden Trommeln in der Mitte dreht. Neben  besagten Tamtams pulsiert ein kleiner "Kreis" von vielleicht 10 Tänzern, die's übel draufhaben. Den Rand bildet ein bologneseartiger Kreis von Leuten, die oft recht einfache aber hektische Schrittfolgen machen. Zwischen diesen beiden Kreisen ist ein wildes Durcheinander und Gerenne. Obwohl...es ist auch kein komplettes Durcheinander- wie eben alles hier.  
Cut. Stromausfall. 
Begeistert schwellen der Fulfuldégesang und die Kissigasschreie daraufhin noch weiter an. 
Es war ein guter Tag, denke ich so im Dunkeln bei mir. Nicht besser und nicht schlechter als zu Hause. Den Weihnachtsabend (bevor Lisa und ich zu den Trommeltänzern gestoßen sind) haben wir mit Teammitgliedern besinnlich verbracht: Wir haben wahnsinnig lecker zusammen gegessen, ein bisschen gesungen, uns gegenseitig selbstgemachte Marmelade o.ä. geschenkt und die Weihnachtsgeschichte gelesen.  Einzig die Christmette hat mir wirklich ein bisschen gefehlt. Und vielleicht die Weihnachtslieder im Voraus.
Allgemein unterscheidet sich die Vorweihnachtszeit ein bisschen von unserer. Also eigentlich gibt's die gar nicht. Ich hab ein paar Leute gefragt, die Adventszeit kennen die hier nicht. Das bedeutet kein Adventskalender, kein Adventskranz, keine Kerzen (auch KEINE in der Kirche), keine Lichterketten, Krippen, Tannenbäume, kein Weihnachtsliedergedudel, kein Weihnachtsmarkt, kein Glühwein und obwohl die Temperatur beträchtlich gefallen ist, sind wir hier noch weit weg von Schneegestöber.
Was man sich zu Hause nicht von Weihnachten wegdenken kann und will, fehlt hier überhaupt nicht. Im Gegenteil, ich empfinde es sogar als positiv. Zum ersten Mal hatte ich nicht das Gefühl in den Wochen vor Weihnachten in Weihnachtsstimmung zu ersticken oder irgendeinen Weihnachtsmarkt oder -feier zu verpassen. Ein kleiner "Weihnachtstick" der Leute hier ist dagegen, dass sie am Festtag alle mit einem neuen Outfit auftrumpfen müssen. Das stürzt die Familienväter in Geldnot und die Schneiderinnen in viel Arbeit.
 Aber ansonsten ist hier Weihnachten wirklich mal auf die Tatsache konzentriert! Es feiern nur die, die einen Sinn darin sehen und auch das Geschenke hält sich stark in Grenzen; In den einheimischen Familien wird nicht beschert  wie bei uns, aber auch lecker gekocht und im Gottesdienst sagen Kinder und Erwachsene Sprüche auf. (Bei denen ich jetzt... keinen Zusammenhang feststellen konnte und unsere kleinsten Krippenspielkinder sprechen um Welten besser, aber mit Weihnachten hatten die Sätze schon zu tun.) Nach der Kirche verlagert sich die ganze Gemeinde nach draußen und dann wird getanzt, bis der Platz vor der Kirche in einer Staubwolke verschwindet. 












Hier hab ich für's Foto mal unsere gesamte Weihnachtsdeko zusammengetragen :D
Das einzige was bei uns die letzten 4 Wochen wirklich ein wenig an Weihnachten erinnert hat, waren unsere Plätzchen. Davon hatten wir anfangs wirklich viele (dank Lisa) und später wenige (dank mir). Jetzt sind alle Zimtschnecken, Schwarz-Weiß-Plätzchen, Kokosmakronen und Mokkabohnen verputzt.
Außerdem hab ich neulich so einen kleinen Jungen mit mega coolen Lehmtieren spielen sehen und bin auf die absolut geniale Idee gekommen selber eine Krippe zu tonen. Hat ne ganze Weile gedauert, bis wir seinen großen Schwestern in unserem Alter auf Fulfuldé verklickert hatten, was wir wollen aber dann haben sie gleich eine Hacke und ein Kännchen Wasser geholt und sind mit uns ein Stück hinters Haus, wo dieser bestimmte Lehmboden wächst.
Voll cool, dass die sich echt nicht zu blöd waren, sich wie die Kinder den Mittag über da hinzusetzen und mit uns zu tonen. Wir haben ihnen unsere europäische Krippe erklärt und waren überrascht, als sie meinten dass sie uns helfen, denn das waren lauter Moslems. "Also vielleicht machen sie euch ne Kuh oder so, aber euer Jesuskindlein müsst ihr schon selber machen", hat man uns im Voraus diesbezüglich gesagt. Jetzt sind wir stolze Besitzer einer Lehmkrippe, bestehend aus DREI Jesuskindlein, Maria, Futtertrog, einem König samt Kamel und Elefantenbaby, einem Esel dem ein Ohr abgebrochen ist, einer Ziege, einer Kuhfamilie, einem Dinosaurier und einem Hund.







Freitag, 21. Dezember 2012

21.12.12 - Malaria



Die guten Antikotztropfen in Ehren, aber wenn man Malaria hat nützen die GAR nix.
Also mache ich mich auf den Weg ins Dispensaire. Freundlich begrüßen sie mich im Labor: "Jambandu?" (Wie geht's?) - "Jam koodume" (Danke gut), antworte ich der hiesigen Kultur entsprechend. Er schmunzelt und meint "Komm, wir schauen mal, ob du Malaria hast." Ich werde in den Finger gepiekst und bekomme meinen Verdacht  ne Minute später offiziell bestätigt.
Ich schlappe an die Kasse, bezahle und hole mir von meinen Kollegen die Medikamente, die ich gestern noch sortiert habe.  Ist auch mal interessant das Dispensaire von der Krankenseite zu sehen.
Aber die andere gefällt mir besser.